Wechselbad der Gefühle

Durch die Corona-Pandemie musste Emma Dierkes ihr Freiwilligenjahr in Ruanda vorzeitig abbrechen. In ihrem Tagebuch erzählt die 18-jährige, was der abrupte Abschied für sie bedeutete.

"Das war eine sehr emotionale Zeit"

Die 18jährige  Emma Dierkes hat 2019 ein Freiwilligendienst in Ruanda mit Don Bosco Volunteers begonnen. Im Don Bosco Zentrum In Butare- Rango hat sie täglich ein Freizeitprogramm für Kinder und Jugendliche gestaltet.Dazu zählten auch viele Straßenkinder. Einmal wöchentlich hat sie zudem einen offenen Straßenkindertreff organisiert. Die Abreise im Frühjahr 2020 wegen der Corona-Pandemie kam völlig unerwartet.In ihrem Tagebuch gibt Emma Einblick in ihr Wechselbad der Gefühle.

Abschied von Ruanda:

Schmerz und Dankbarkeit

Beim Abflug  empfand ich Trauer,  dass wir uns nicht bei all unseren Kindern, Schülerinnen und Schülern und  Freunden verabschieden konnten. Aber auch Erleichterung, dass dieses Chaos und der Stress endlich zu Ende waren.

Hinter mir liegt eine lehrreiche Zeit voller Emotionen und unfassbar viel Liebe. Ich habe Freunde, liebgewordene Kinder und Schüler zurücklassen müssen.  Das schmerzt! Aber ich blicke auch voller Dankbarkeit auf eine wunderschöne Zeit zurück. Die letzten  sieben Monate waren die schönsten meines ganzen Lebens !

Emma Dierkes, ehemalige Don Bosco Volontärin

Emmas Tagebuch:

Samstag, 14.03.2020

Erster bestätigter Corona-Fall in Kigali.

Die Gottesdienste sind abgesagt, alle Schulen geschlossen und unsere Schülerinnen und Schüler wurden nach Hause geschickt.

Sonntag, 15.03.2020

Während des Frühstücks klingeln die Handys unserer Fathers ununterbrochen. Wird schon nicht so schlimm werden. Das Jugendzentrum sollen wir öffnen, obwohl wir widersprechen. Es wird erwartungsgemäß voll. Körperkontakt ist theoretisch verboten, scheitert jedoch praktisch.

Erste Freiwillige äußern den Wunsch nach Hause zu wollen - ich nicht! Abends kommen mir die Tränen. Wechselbad der Gefühle!

Montag, 16.03.2020

Heute soll eine Mail von Don Bosco Volunteers kommen, wie es weitergeht. Beim Kinyarwanda Unterricht bin ich unausgeschlafen, unkonzentriert und angespannt. Alle fünf Minuten Mails aktualisieren. Da! Vorerst dürfen wir wohl bleiben. Glücksgefühle! 

Nachmittags im Jugendzentrum ist es noch voller. Weil die Fußball und Basketballplätze etc.  geschlossen worden sind, kommen jetzt alle zu uns. Abends Diskussion mit Mama, die gerne hätte, dass ich zurückkomme. Und ich?

Ich will nichts lieber als bleiben, bei „meinen Kindern“ meinen Freunden! In unserer Ruanda-WhatsApp Gruppe mit Freiwilligen von anderen Organisationen geht es rund. Allgemeine Panik und erste Flugbuchungen. Panik bei mir, heim nach Deutschland zu müssen.

Dienstag, 17.03.2020

11 Uhr WhatsApp Nachricht von Don Bosco Volunteer. Wir werden so schnell wie möglich nach Deutschland zurück müssen - eine Anweisung von Weltwärts. Einmal zusammenbrechen, weinen, schluchzen. Wir werden uns weder von unseren Schüler*innen, den Straßenkindern noch unseren Freunden verabschieden können. Alle sind weggeschickt worden und jetzt ist auch bei uns alles geschlossen. 21.10 Uhr eine Mail vom Auswärtigen Amt: Brüssel Airlines würde uns Ende der Woche nach Brüssel bringen. Wir müssen uns bis morgen 8.30 Uhr ruandische Zeit anmelden. Don Bosco Volunteers antwortet direkt: Anmelden! Mama anrufen und wieder zusammenbrechen. Ich will doch bleiben!

Mittwoch, 18.03.2020

Wir sind angemeldet. Danach lief erst mal nur „Scheiße! Warum Corona! Ich hasse dich, du machst mir alles kaputt. Warum habe ich eigentlich diese beschissen schwere Sprache gelernt? Und es wurde langsam! Ich wollte ein Jahr hier verbringen!!! Kurzer Gang auf den Markt, habe noch einen schönen Stoff gefunden. Die Info der Botschaft kommt, es geht Sonntag heim. Mir wird heiß und kalt. Statt 5 Monate noch knapp 4 Tage. Jede Sekunde, jedes Wort, jedes Gebet genießen. Abends hatte mein Kopf verstanden. Dann die Nachricht, dass Ruanda ab Freitag für 30 Tage den Flugverkehr sperrt. Was wird jetzt aus unserem Flug am Sonntag?

Donnerstag, 19.03.2020

Ich bin total nah am Wasser gebaut, alles zehrt an mir, ständig diese wechselnden Anweisungen.Nach dem Mittagessen eine Email, unser Flug am Sonntag ist gestrichen. Die Botschaft gibt uns Kontakte von Airlines die uns evt. nach Europa bringen könnten. Wieder alles weiterleiten, warten.  Um 16 Uhr die Info, wir bleiben wohl vorerst. Bis Deutschland einen Rückholflieger schickt. Wir erfahren erst 12 Stunden vorher, wann es losgeht. Koffer bleiben gepackt. Nur das nötigste rausnehmen. Ich kann nicht mehr. Dieses ständige Chaos, das Auf und Ab, die Erkältung. Ich bin durch.

Freitag, 20.03.2020

Ich bin entspannt. Um 10.30 Uhr Email, dass wir in einer halben Stunde in Kigali sein sollen, für einen Flug am nachmittag. Wir sind aber noch in Huye- geht nicht. Wieder runterkommen, atmen. Dann Mail von Botschaft, dass wir Ruanda so schnell wie möglich verlassen sollen. Egal wie, egal wohin, egal welcher Flug. Don Bosco Volunteers sagt nein, keinesfalls. Pure Überforderung! Denn eine Rückholmaschine wird es nicht geben. Sollen wir nicht doch versuchen nach Uganda oder Tansania zu kommen? Wut und Tränen, weil Deutschland keinen versprochenen Rückholflieger für Ruanda schickt. Lohnt sich nicht, heiß es. Na, vielen Dank auch!  

Samstag, 21.03.2020

Ein Tag voller letzter Male, der doch erst im August sein sollte. Und alles weil Corona die Welt lahmlegt. Letztes Umpacken, wiegen, aufräumen, sauber machen. Danach melancholisch. Wir stoßen im Salon an. Oh man, es gibt sogar ein Lied für uns. Das letzte Mal „die gute Suppe aus Rango“. Ein letztes Mal decken und abwaschen mit unseren Jungs. Traurig, aber wir machen es uns so schön wie möglich. Viel gelacht, gealbert wie immer.

Sonntag, 22.03.2020

Wach ab 3.30 Uhr. Duschen, Rest packen und dann los. Auf den 150 km zum Flughafen werden wir 10 Mal (!) von der Polizei angehalten und müssen uns erklären. Desaster! Wir brauchen doppelt solange, also 4 1/2h. Beim Abflug Trauer, dass wir so früh gehen müssen. Trauer, dass wir uns nicht bei all unseren Kindern, Schüler*innen, Freunden verabschieden konnten. Aber auch Erleichterung, dass dieses Chaos und der Stress endlich zu Ende sein werden. Und so dankbar für die letzten knapp sieben Monate, die die schönsten meines ganzen Lebens waren!

Don Bosco Volunteers berichten:

Ein Abschied, der weh tut

Jakob war als Don Bosco Volontär in Indien

Alle Don Bosco Volunteers mussten wegen Corona ihre Auslandseinsätze vorzeitig beenden. Nach sieben Monaten mussten die jungen Freiwilligen nach Deutschland zurück.Jakob Freiwald ist einer von ihnen. Der 18jährige war in Indien und ist jetzt wieder in Bonn.

Was ich hier erlebe, kann mir niemand mehr nehmen!

Jan war als Don Bosco Volontär in Kolumbien

Nach acht Monaten in Kolumbien fühlt sich Jans neues Leben völlig normal an. Seinen Freiwilligendienst trat er mit möglichst wenig Erwartungen an und wollte einfach für alles offen zu sein.Jetzt ist er sicher, die Begegnungen in Medellín haben sein Leben verändert.

Noch Fragen?

Die Bewerberin oder der Bewerber sollte zwischen 18 und 28 Jahren alt sein und die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Voraussetzung sind ein Hauptschul- oder Realschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung oder das Abitur. Es ist auch möglich, sich mit einem Bachelor- oder Masterabschluss zu bewerben. 

Praktische Erfahrungen im sozialen Bereich - zum Beispiel in der Kinder- und Jugendarbeit - sind von Vorteil. Das können zum Beispiel ehrenamtliche Tätigkeiten in Musik- oder Sportvereinen sein. Als Don Bosco Volunteer ist es aber am wichtigsten, offen für fremde Kulturen zu sein.

Das Freiwilligenjahr wird vom Weltwärts-Programm des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit 75 Prozent gefördert. Die restlichen 25 Prozent der Gesamtkosten werden vom Träger übernommen. Vorgesehen ist, dass die Freiwilligen sich mit einem Eigenanteil an diesen Kosten beteiligen. Dies ist zum Beispiel durch den Aufbau eines Spenderkreises möglich.

Unsere Erfahrung zeigt, dass Freiwillige oft erst nach sechs Monaten richtig vor Ort angekommen sind. Deswegen bieten wir nur einjährige Dienste an.

Jeder junge Mensch kann sich bewerben - unabhängig von seiner Religionszugehörigkeit. Auch Bewerber ohne Konfession sind willkommen. Wichtig sind eine religiöse Offenheit und die Bereitschaft das Leben in der Ordensgemeinschaft der Salesianer Don Boscos zu teilen. Teilnahme an Gebeten, Gottesdiensten und religiösen Festlichkeiten sind freiwillig.

Die Don Bosco Volunteers werden intensiv auf ihren Einsatz vorbereitet. Vor der Ausreise finden drei Vorbereitungsseminare statt. Ausgebildete Trainer und ehemalige Freiwillige informieren über Themen wie Interkulturalität, die Pädagogik Don Bosco und medizinische Vorsorge.

Damit das Leben junger Menschen gelingt!